Mehr als sechs Monate sind vergangen, seit ich in der Silvesternacht das neue Jahr mit dem Vorsatz keinen Erwartungshaltungen mehr nachzuhängen begossen habe.

2014 war das Jahr, in dem sich mein großer Traum plötzlich in Luft auflöste. Das Jahr, in dem ich mich und meine bis dahin geltenden Ziele und Werte ganz zwangsläufig das erste Mal so wirklich in Frage stellte und auch das Jahr, in dem ich auf einmal so ganz ohne Plan dastand. Für 2015 hatte ich mir dann vorgenommen, keine Pläne mehr zu machen, keinen Erwartungen mehr nachzuhängen und das Leben das erste Mal einfach so zu nehmen, wie es gerade kommt(Meine Gedanken dazu findest du hier). Seitdem ist etwas mehr als ein halbes Jahr vergangen und damit ist es an der Zeit ein erstes Resümee zu ziehen:

Rückblick:

Was hat sich in den letzten 6 Monaten eigentlich bei mir getan? So Einiges! Und vor allem jede Menge Unerwartetes! Nochmal zur Erinnerung: Ich hatte bis letztes Jahr Biologie studiert, meinen Bachelor gemacht und befand mich mitten im Master. Da mich das aber eigentlich schon seit langen nicht mehr glücklich gemacht hatte, musste jetzt was Neues her.

Und genau deswegen, habe ich mich auf gut Glück einfach mal in völlig anderen Bereichen für ein Praktikum beworben. Frei nach dem Motto: Einfach mal die Fühler ausstrecken und sehen, was es sonst noch so für Möglichkeiten gibt. So bin ich dann auch zu meinem dreimonatigen Praktikum in der Redaktion eines Film-Magazins gelandet. Dort war aber von Anfang an klar, dass sie mir im Anschluss keinen Job anbieten können. Dementsprechend war es ein Leichtes absolut ohne Erwartungshaltung und lediglich mit dem Anspruch an die Sache zu gehen, so viel an Erfahrung mitzunehmen, wie nur möglich,

Gerade mal 6 Wochen später kam mein Chef dann, zu meiner großen Überraschung auf mich zu und bot mir die Halbtagsstelle als Redaktionsassistentin an, da meine Vorgängerin aufhören wollte. Sicher nicht der Prestige-trächtigste Job, aber ein toller Einstieg. Mit einem Halbtagsjob würde ich auf Dauer aber nicht weit kommen und so tat ich etwas, dass ich mich zuvor niemals getraut hätte. Ich stellte meine eigenen Bedingungen für die Stelle, setzt mich mit meinem Chef zusammen und machte ab, dass sich mein Urlaub nicht auf meine Urlaubstage beschränken dürfe, sondern ich außerhalb der Abgabewoche auch von unterwegs im „World Office“ arbeiten wolle.

2015-04-17 09.53.21

Und wie mich zuvor schon das Angebot der Stelle überhaupt überrascht hatte, überraschte mich seine Antwort jetzt noch mehr. Denn er hat zugestimmt. Was lernen wir daraus? Fragen kostet nichts! Im Worst Case hätte er lediglich nein sagen können und dann wäre ich genauso weit wie vorher gewesen.

Von Selbstsabotage und der Stimme des Universums:

Das erste mal in meinem Leben läuft es einfach. Und das nicht nur deswegen weil ich ohne Erwartung an die Sache herangegangen bin, sondern eben weil mich dieses Loslassen auch offener für die verschiedenen Möglichkeiten, die sich mir bieten, hat werden lassen. Bisher war ich immer so verbissen auf mein eines Ziel fixiert, dass ich viele Optionen, die mich auf dem ein oder anderen Weg sicher weiter gebracht hätten, ausgeschlagen habe, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht in meine Planung passten. Gleichzeitig war ich immer furchtbar wütend darüber, warum mir in meinen geplanten Weg scheinbar all zu oft Steine gelegt wurden. Das mich diese extreme Zielstrebigkeit über Jahre hinweg nicht nur nicht weiter gebracht, sondern auch ausgelaugt und unglücklich gemacht hat, zeigt sich mir im Rückblick absolut klar. Aber wie das eben so ist, im Nachhinein ist man immer schlauer.

Zurück also zu meinen Möglichkeiten: Ganz oft ist es eben so, dass eine ungeahnte Option gleichzeitig auch den Weg für etwas freimacht, dass man für nie möglich gehalten hätte. Meinen Blog gab es zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa einem Jahr, aber eben nur sporadisch und als Hobby betrieben. Sich mit der ganzen Geschichte selbständig zu machen, war immer als fixe, kleine Idee im Raum gestanden. Nun erhob aber scheinbar das Universum seine Stimme und zeigte mir – übrigens genau zu dem Zeitpunkt an dem ich aufgehört hatte zu suchen – einen möglichen weiteren Weg für mich. Im Angestelltenverhältnis, und damit finanziell abgesichert, wäre ich dennoch so flexibel, dass ich die Welt entdecken, darüber schreiben und mir damit im Idealfall sogar etwas dazu verdienen kann. Bessere Voraussetzung hätten sich für diesen Weg sicher nicht ergeben können.

Wiedergefundenes Glück:

Eine der für mich absolut wichtigsten Entwicklungen der letzten Monate ist die, dass ich mein „Glücklichsein“ wieder gefunden habe. Statt spontaner Heulattacken, schleicht sich jetzt immer öfter ganz unbegründet ein Lächeln auf mein Gesicht und so kann es schon mal vorkommen, dass ich, über beide Ohren grinsend, allein in der vollgestopften Straßenbahn sitze. Ganz oft sind es auch ganz kleine Dinge, die in mir ganz plötzlich wieder kindliche Begeisterung ausrufen. Ein Vogel, ein blauer Himmel, Gerüche, die ich mit ganz bestimmten Erinnerungen verbinde, oder ein Lied, zu dem ich am liebsten sofort los tanzen würde.

„Dieser eine, vollkommene Moment, in dem man einfach nur da sitzt und das Jetzt genießt…der mich auf meinen Reisen immer wieder aufs Neue und doch jedes Mal völlig unerwartet überkommt und mich mit einem Gefühl völliger Zufriedenheit zurück lässt.“

Damit habe ich bisher beschrieben, was es ist, dass mich auf meinen Reisen bisher so begeistert hat. Aber diese kleinen Momente schaffen es auch immer mehr in meinen Alltag und das ist etwas wofür ich wirklich sehr dankbar bin.

2015-05-29 12.02.34

Keine Erwartungen, alles Gut?

Natürlich nicht. Zum einen ist es in Wirklichkeit gar nicht so einfach, nicht alles so ernst zu nehmen und noch schwieriger ist es wirklich Abstand zu nehmen und keine Hoffnungen und Erwartungen in Dinge zu setzen. Das ist nämlich eigentlich ein ganz automatisierter Prozess und deswegen ertappe ich mich selbst noch all zu oft dabei, wie ich in alte Muster zurück falle. Gerade für persönliche Beziehungen und dem, was man von seinen Mitmenschen erwartet, ist dieses Loslassen unsagbar schwer und gelingt mir natürlich nur bedingt.

Außerdem ist es natürlich kein Erfolgsgarant alles ein wenig weniger verbissen zu sehen. Schief kann deswegen trotzdem etwas gehen. Ich könnte in meinem Job zum Beispiel nicht bestehen oder der Blog schafft den Sprung auf die professionelle Ebene schlicht nicht. Aber genau darum geht es: Zu lernen, dass es in Ordnung ist, wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant und das es auch in Ordnung ist, wenn ein Weg in die Sackgasse führt.

Und heute?

Während ich diese Zeilen schreibe sitze ich tatsächlich am Flughafen in Memmingen und warte auf meinen Flieger nach Mazedonien. 11 Tage nehme ich mir Zeit, um ein Land, von dem ich vorher maximal beim Euro-Vision-Songcontest, den ich seit Jahren nicht mehr mitverfolge, gehört habe. Warum also hierhin? Warum nicht? Die Entscheidung war letztlich vom Geld abhängig. Es ist ein günstiges Reiseziel innerhalb Europas und ich habe einen billigen Flug bekommen. That`s it. Außer einer Hotelbuchung für meine ersten zwei Nächte, ist in Sachen Planung und Reisevorbereitung auch nicht wirklich etwas passiert und ich habe im Grunde so gar keine Ahnung was mich erwartet. Früher hätte mich das wahnsinnig gemacht und ich wäre über meine mangelnde Vorbereitung wütend. Heute gebe ich wörtlich „zero Fucks“. Denn ob es mir in einem Land gefallen wird oder nicht, wird sich auch nicht ändern nur weil ich vorher vielleicht besser geplant hat.

In diesem, geradezu exemplarisch für mein derzeitiges Leben stehenden, Sinne freue ich mich nicht nur auf mein neues Reiseabenteuer sondern auch darauf, was das Leben mir in den kommenden Monaten bringen wird.

2015-06-25 07.43.09

Wie sieht das bei dir mit der Erwartungshaltung aus? Planst du dein Leben bis zur letzten Sekunde durch oder lässt du zu, dass dein Leben auch mal zum Abenteuer werden kann?